Fast 170 Jahre lang (1846–2014) betete, lebte und arbeitete der Orden der Schwestern der Heimsuchung Mariä – auch Salesianerinnen genannt – im Kloster Beuerberg in Oberbayern. Die beiden Ordensgründer, Johanna Franziska von Chantal (1572–1641), eine adelige Witwe mit vier Kindern, und Franz von Sales (1567–1622), der Bischof von Genf, wollten eine neue Ordensgemeinschaft gründen, die Gebet und aktive Arbeit verbindet. Gott im Gebet dienen und aus dieser Quelle den Armen und Kranken helfen, waren die Grundgedanken. Die Schwestern sollten direkt zu den Bedürftigen nach Hause kommen und sie pflegen.
Für die damalige Zeit war ein aktiver und karitativer Frauenorden eine absolute Neuheit. Der zuständige Bischof stellte sich gegen die Idee und knüpfte die Anerkennung des Ordens an die Bedingung einer strengen Klausur. Die beiden Ordensgründer stimmten zu und so entstand – anstatt der ursprünglich geplanten aktiven Kongregation – ein kontemplativer Orden, der im Jahr 1618 päpstlich anerkannt wurde. Von da an widmeten sich die Schwestern hauptsächlich der Betrachtung und dem Gebet und lebten hinter Klostermauern.
Ab dem Jahr 1846 wirkten sie im Kloster Beuerberg in Oberbayern, einem Ableger ihrer schnell wachsenden Ordensgemeinschaft in Dietramszell, da dieses Kloster zu klein geworden war. Dort betrieben sie trotz ihrer Klausur eine höhere Mädchenschule. Jedoch fehlte es immer mehr am nötigen Nachwuchs und so entschieden sich die 13 verbliebenen hochbetagten Schwestern 2014, ihr Kloster in einem guten Geist zu verlassen und sich in zwei klösterliche Altenheime zurückzuziehen.
Das Kloster in neuen Händen
Das Kloster Beuerberg, seit 900 Jahren eine Landmarke klösterlichen Lebens, drohte verkauft und in Form von Wohnungen verwertet zu werden. Für die Erzdiözese München und Freising war das keine Option und so übernahm sie im Oktober 2014 das geschichtsträchtige Gebäude mit allen Liegenschaften und beweglichen Gütern. Außerdem sollte das Kloster als Landmarke geistlichen und kulturellen Lebens erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Was würden die Ordensgründer – Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal – heute im Kloster Beuerberg vorfinden, wenn sie es besuchen könnten?
Ausstellungen machen die Klostergeschichte lebendig
Von außen scheint sich das Kloster kaum verändert zu haben und schreitet man durch den offenen Torbogen in den Innenhof Richtung Klosterpforte, wird man von einem großen Wegweiser empfangen, der den Weg zur diesjährigen Ausstellung Kommune 1121 – Visionen eines anderen Lebens weist. Das Diözesanmuseum Freising nutzt seit dem Jahr 2016 das Kloster für Ausstellungen, um den Bezug vom klösterlichen Leben zur heutigen Zeit und Gesellschaft herzustellen. In diesem Jahr stehen die kulturprägende Kraft und das gemeinschaftliche Leben der Augustiner Chorherren, die das Kloster 1121 errichtet und bis 1803 bewohnt hatten, im Mittelpunkt.
Die Spiritualität und das Klosterleben der Salesianerinnen waren schon bei der ersten Ausstellung Klausur – Vom Leben im Kloster im Jahr 2016 Thema. 50.000 Menschen haben das Kloster in dieser Zeit besucht. Für Museumsleiter Dr. Christoph Kürzeder hat das einen Grund: Durch meine langjährige Tätigkeit in der Inventarisierung von Klöstern habe ich immer wieder erfahren, dass der Objektbestand in Klöstern nicht nur als materieller Wert zu sehen ist, sondern vor allem als ideelles und damit auch als sprechendes Zeugnis für die Geschichte der Klöster. In Beuerberg ist es durch den großen Objektbestand möglich, tief in die Vergangenheit einzutauchen. So einen unmittelbaren Einblick in die Historie kann man sich als Museumsmensch sonst nur wünschen.
Der ursprüngliche Geist lebt weiter
Folgt man dem Wegweiser weiter in die aktuelle Ausstellung, fühlt man sich um Jahrhunderte zurückversetzt, denn nicht nur die alte Klosterapotheke ist fast noch komplett erhalten und zu besichtigen. Viele originale Bilder, Figuren und Möbel finden sich in der Ausstellung wieder und laden ein, in die Ordensgeschichte einzutauchen. Der Geist der Augustiner und der Salesianerinnen ist überall deutlich zu spüren. Das ist kein Zufall, wie Dr. Christoph Kürzeder bestätigt: Für uns ist das Kloster kein Objekt, sondern ein Subjekt, ein lebendiger Kosmos und Lebensraum. Für uns ist es eben nicht nur ein großes Gebäude mit Inhalt. Wir sehen die Mauern und die schönen Außenflächen als vitale Räume, in denen ein Geist bewahrt ist.
Das Kloster ist weiterhin ein kraftvoller Ort
Dieses Konzept gilt auch für die Klosterküche. In der Klostergastronomie werden hauptsächlich biologische und lokale Zutaten (unter anderem aus dem Klostergarten) von Produzenten aus der Region verwendet. Stimmungsvoll lässt sich im Refektorium, dem alten Speisesaal der Salesianerinnen, oder im Klostergarten neben den Gemüsebeeten und blühenden Rosen speisen. Im Klosterladen findet sich unter anderem ein nach altem Rezept der Salesianerinnen produzierter Heilkräuterlikör im Sortiment. Die neu sanierte Stiftskirche St. Peter und Paul lädt zu Gottesdiensten und Konzerten ein.
Außerdem werden einige Teile des Gebäudes weiter behutsam restauriert. Die kleinen Zellen, in denen die Salesianerinnen schliefen, werden von ortsnahen Firmen mit regionalen Materialien zu modernen und schlichten Gästezimmern umgebaut. In den repräsentativen Versammlungsräumen können in Zukunft Gruppen arbeiten und tagen. Außerdem wird das ehemalige Mädchenpensionat unter Federführung eines Münchener Architekten zu einer zeitgemäßen Herberge mit Gastronomie und Kramerladen umgebaut. Hier gilt ein weiterer Grundsatz der Umnutzung – aus der Substanz schöpfen.
Der Ort und das Kloster sind eine Einheit
Darin spiegelt sich auch die lange Verbindung des Dorfs mit dem Kloster wider. So soll das Kloster weiterhin der Mittelpunkt des Ortes bleiben und Dorf und Kloster sollen weiter zusammenwachsen. Aus diesem Grund wird sich der geplante Kramerladen zum Dorfplatz hin öffnen und ein weiteres Scharnier zum Ort bilden. 900 Jahre lang und mit nur einer kurzen Unterbrechung gab es klösterliches Leben in Beuerberg, daher sind Dorf und Kloster untrennbar miteinander verwoben. Diese fruchtbare Wechselwirkung weiter auszubauen, war ein Grundgedanke bei der Umnutzung, wie Bürgermeister Moritz Sappl erklärt: Früher hatte man, außer als Feuerwehrmann oder Handwerkerin, kaum eine Chance, in das Kloster zu kommen. Durch die neue Nutzung als Museum mit Gastronomie ist das völlig anders. Selbst für die Dorfjugend ist es normal, die schönen Flächen um das Kloster für ein geselliges Zusammentreffen zu nutzen. Es hat sich ein ganz anderer Zugang zum Kloster entwickelt, der für unseren Ort ein Glücksfall ist.
So gehen im Kloster und im Ort Beuerberg 900 Jahre gemeinsame Geschichte erfolgreich weiter. Beuerberg wird weiterhin als lebendige Landmarke klösterlichen Lebens erhalten und strahlt weit über den Ort in die ganze Region hinaus. Auch für die Zukunft ist vieles geplant, wie Dr. Kürzeder berichtet: Für das Jahr 2023 denken wir über eine Ausstellung zum Thema Rituale nach. Darüber kann uns meiner Meinung nach das klösterliche Leben und dessen kulturelles Erbe noch vieles vermitteln. Wir haben jetzt eine Brückenfunktion, diese Orte zu erhalten, denn auch schon in der Geschichte war dieses Kloster einmal 43 Jahre verlassen, und wer weiß, was in Zukunft passieren wird.
Auch die Ordensgründer, Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal, könnten die Zukunft nicht vorhersagen. Würden sie jedoch zurück auf die letzten Jahre der Umnutzung des Klosters zurückblicken, dürften sie mit der Entwicklung sehr zufrieden sein.