Peter Schmidt ist Mitgründer und Vorstand der Wogeno München eG. In dieser Funktion hat er schon unzählige soziale und ökologische Wohnungsbauprojekte realisiert. Eine Sache ist ihm in all den Jahren aber noch nicht passiert: Er hat sich in ein Kloster verliebt, und zwar in das Kloster Schlehdorf. Aus der anfänglichen Verliebtheit ist mittlerweile eine tragfähige Beziehung geworden. So ernst, dass die Münchner Genossenschaft das dreihundert Jahre alte Gebäude 2018 gekauft hat. Wir treffen Peter Schmidt an dem Ort, an dem an einem kalten Januartag im Jahr 2018 alles begann: im Cohaus Kloster Schlehdorf. Unter diesem Namen wird das Kloster Schlehdorf nun als hundertprozentige Tochter der Wogeno eG weitergeführt. Hier lebt und arbeitet Peter Schmidt an mehreren Tagen der Woche. Im folgenden Gespräch nimmt er uns mit auf die Reise der Transformation des Klosters – seit der ersten schicksalhaften Begegnung im Januar 2018.

Peter Schmidt
Peter Schmidt im Interview

Ein Jahr nach dem Kauf des Klosters, drei Jahre nach dem Beginn des Projekts: Wie geht es Ihnen heute?

Mir geht es gut und ich bereue nichts. Ich bin sehr froh, dass wir das Projekt realisiert haben. Ich bin überzeugt, dass wir hier ein Haus mit großer Substanz und Tragfähigkeit erworben haben. Auch wenn die letzten drei Jahre bei aller Liebe schon eine große Herausforderung waren. Darüber werden wir im weiteren Verlauf sicher noch sprechen.

Wie kam es dazu, dass Ihre Genossenschaft, die Wogeno eG, das Kloster Schlehdorf erworben hat? Was waren für Sie die ausschlaggebenden Punkte, dass die Wogeno eG den Zuschlag der Missions-Dominikanerinnen bekommen hat?

Ich denke, dass wir als Genossenschaft ähnliche Vorstellungen von Gemeinschaftlichkeit und Nachhaltigkeit haben wie die Missions-Dominikanerinnen. Diesen Fokus und das Interesse haben die anderen Bieter nicht mitgebracht. Auf dieser gemeinsamen Basis konnten wir uns besser kennen und schätzen lernen. Beide Seiten haben sich dann entschlossen, diesen Weg exklusiv miteinander zu gehen. Das herkömmliche Bieterverfahren am Immobilienmarkt war zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. Die Frage ist, ob diese übliche und anonyme Art des Verhandelns für den Verkauf und die Umnutzung eines Klosters grundsätzlich die richtige Wahl ist oder ob hier neue Wege gefunden werden sollten.

Was waren für Sie die größten Herausforderungen bei der Transformation des Kloster Schlehdorf? Haben Sie mit diesen Herausforderungen gerechnet?

Die Herausforderungen als Genossenschaft lagen für uns auch intern. Es war ein Prozess, die eigene Organisation mitzunehmen. Zum anderen war es das Kennenlernen aller offiziellen Stellen, die bei einer Transformation eines Klosters beteiligt sind. Jede dieser Institutionen hat unterschiedliche Ansprüche an das Kloster und an die Nutzung. Für Schlehdorf nenne ich exemplarisch den Freistaat Bayern als Besitzer eines Treppenhauses, die Pfarrgemeinde mit dinglichen Nutzungsrechten und die Erzdiözese als Schulträger und Pächter eines Gebäudeteiles. Diese Sonderrechte diverser Akteure waren und sind teilweise schwer in Einklang mit einer gelungenen Transformation zu bringen.

Refektorium
Kehraus: das ehemalige Refektorium vor der Transformation
Post-its
Auf dem Weg zur Transformation fanden zahlreiche Workshops statt.

Welche Erfahrungswerte aus anderen Bau- und Wohnprojekten der Wogeno eG haben sich auf das Kloster Schlehdorf übertragen lassen?

Der Umgang mit herausragenden Einzeldenkmälern war uns durchaus geläufig, auch mit den Widrigkeiten (z. B. einer Kostensteigerung) hatten wir Erfahrung, wenn auch nicht in dieser Komplexität. Wir als Wogeno wollen hier bewusst unseren Beitrag zur baukulturellen Erhaltung leisten.

Inwiefern hat sich die jetzige bzw. künftige Nutzung (Wohnen, Gewerbe, Seminarbetrieb) aus den vorhandenen baulichen Bedingungen ergeben? Nach welchen Kriterien haben Sie die künftige Nutzung der Räume festgelegt?

Am Anfang galt es herauszufinden, welcher Nutzungsmix und welche Nutzungsformen in diesem Haus abbildbar und auch bauordnungsrechtlich möglich sind. Hierauf konnte die Wirtschaftlichkeit vor dem Hintergrund einer dauerhaften Nutzungsmöglichkeit ermittelt werden. Deswegen haben wir uns entschieden, vor dem finalen Kauf einen einjährigen Probebetrieb mit Gäste- und Seminarbetrieb und Wohnen durchzuführen. Der Probebetrieb wurde dann in Absprache mit der Ordensgemeinschaft auf eineinhalb Jahre verlängert. Bei so einem komplexen Gebäude ist es wichtig, sich Zeit zu lassen, um ein tragfähiges Konzept zu entwickeln.

Würden Sie den Probebetrieb anderen Käufern eines Klosters weiterempfehlen?

Auf jeden Fall! So konnten wir in Ruhe alle Akteure kennenlernen und uns mit den vielfältigen Nutzungsansprüchen beschäftigen. Daraufhin haben wir ein tragfähiges Finanzierungskonzept entwickelt. Zugleich gab es Zeit, um die Beziehung zu den Schwestern zu pflegen und auch intern das Projekt mit den Pionierinnen und zukünftigen Nutzern weiterzuentwickeln.

Wie haben Sie ein tragfähiges und finanzierbares Konzept für die Umnutzung gefunden?

Wir haben bei jeder Liegenschaft die Prämisse und den Anspruch, die wirtschaftliche Tragfähigkeit durch eine dauerhafte Vermietung zu sichern. Der Erhalt und die Pflege dieses Klosters sind nur durch genügend Einnahmen machbar. Im Probebetrieb, aber auch durch die Corona-Situation, hat sich herauskristallisiert, dass ein Konzept mit dauerhafter Vermietung für Wohnen und Gewerbe sinnvoll ist. Daneben kann ein kleiner Gäste- und Seminarbetrieb geführt werden. Durch unser tragfähiges Konzept konnten wir die Finanzierung angehen. Über zwei Millionen Euro wurden aus der Solidargemeinschaft unserer Genossenschaft bereitgestellt. Zusätzlich haben einige Genossinnen und Genossen den Kauf mit einem Privatdarlehen unterstützt. Der dritte Teil wird mithilfe eines Bankdarlehens finanziert.

Wäre es auch denkbar, gerade im Hinblick auf die Transformation anderer Klöster, die Ordensgemeinschaften mit in die Finanzierung einzubinden?

Ich fände es gut, den Orden ein werthaltiges finanzielles Engagement auf der Basis einer dinglichen Sicherheit zu geben. Die Sicherheit für den Orden besteht dann in Grundpfandrechten an großen Teilen des Gebäudes. Das kann man sich wie eine bankähnliche Sicherheit mit einem festgeschriebenen Zinssatz vorstellen. Dieses Modell kann im Zusammenhang mit einer Transformation für die Ordensgemeinschaften durchaus sinnvoll sein.

Warum haben Sie für den Kauf eine neue Tochter-GmbH der Wogeno eG gegründet? Welche Vorteile ergeben sich daraus für alle Beteiligten?

Die Wogeno eG ist eine Wohnungsgenossenschaft und unterliegt somit diesem steuerlichen Zweck. Im Kloster Schlehdorf gibt es aber sehr viele Flächen, die gewerblich genutzt werden. Mit der Cohaus Kloster Schlehdorf GmbH können wir dem Tatbestand dieser Nutzung steuerlich Genüge tun. So kommt die Wogeno nicht in eine steuerrechtliche Zwangssituation.

Warum haben Sie sich als Wohnungsgenossenschaft nun auch des Gewerbes angenommen?

Das ist schlicht der baulichen Struktur und der ehemaligen Nutzung des Hauses geschuldet. Hier gibt es Bereiche, die die Schwestern und sogar schon weitere Vorbesitzer wie die Augustiner Chorherren gewerblich genutzt haben. Diese Räumlichkeiten mit ihren baurechtlichen und denkmalrechtlichen Besonderheiten können nicht ohne größere Investitionen und Planungen einer Wohnnutzung zugeführt werden, da ihre Funktion über die Jahrhunderte eine andere war, z. B. eine Paramentenstickerei. Die räumliche Abfolge der Struktur in diesen Geschossen ist aus Sicht der Denkmalpflege schützens- und erhaltenswert. Der Einbau von Wohnungen in diesen besonderen Räumen wäre aus denkmalrechtlicher Sicht für den Erhalt einer Umnutzungsgenehmigung deutlich schwieriger gewesen.

Da Sie gerade das Denkmalamt ansprechen. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt oder mit anderen Institutionen?

Die Zusammenarbeit mit einer Stelle ist nicht kompliziert. Wir haben es aber hier mit rund 17 verschiedenen Ansprechpartnern zu tun, die untereinander nicht quervernetzt sind. So stehen unzählige Gespräche auf dem Plan, die auch die zeitliche Projektentwicklung beeinflussen. Wir übernehmen hier eine koordinierende Tätigkeit, die viel Zeit und Ressourcen beansprucht. Im ungünstigsten Fall könnte dieser Prozess das ganze Projekt gefährden.

Haben Sie eine Idee, wie diese Zusammenarbeit effektiver gestaltet werden kann?

Ich plädiere stark dafür, eine Stabsstelle einzurichten, die die Koordination aller Akteure übernimmt und untereinander vernetzt. Das ist mein Wunsch an die Politik. Hier hätte ich mir mehr Unterstützung seitens des Landratsamts gewünscht, so wie es uns ganz zu Beginn der Projektentwicklung zugesagt war. Einen Rat habe ich: Machen Sie sich schnellstmöglich mit allen offiziellen Verantwortlichen, die mit der Transformation betraut sind, bekannt. Ich denke, man darf sie ermutigen, Entscheidungen zu treffen. Für den nächsten Schritt im Projekt ist oft eine fixe Zusage einer bestimmten Stelle, beispielsweise des Landesdenkmalamtes, nötig. Auf dieser Basis kann dann der nächste Akteur weiter entscheiden. Noch ein Tipp: Geben Sie nicht auf und bleiben Sie dran!

Gemüsebeet
Gemüsebeet und Tiny House auf dem Gelände der KlosterGut eG

Andere Akteure, mit denen Sie zu tun haben, sind die Nachbarn. Die landwirtschaftlichen Flächen des Kloster Schlehdorf sind seit einigen Jahren an eine Genossenschaft verpachtet, zum Teil auch schon verkauft. Was wäre Ihr Wunsch für eine erfolgreiche Nachnutzung dieser Flächen auch in Hinblick auf eine gelungene Nachbarschaft?

Die 50 Hektar landwirtschaftliche Flächen wurden in den letzten 100 Jahren von den Schwestern zusätzlich erworben und bewirtschaftet. Wir haben ein gutes Verhältnis zur Genossenschaft KlosterGut eG, die das Land gepachtet hat und nachbarschaftliche Synergien aufgebaut. Unser Ziel ist, diese weiter auszubauen. Wir planen auch, dass sich die Menschen, die im und um das Kloster leben, ein Stück weit vom Ertrag der Landwirtschaft ernähren können. Auch wenn das Kloster und die landwirtschaftlichen Flächen zwei unterschiedlichen Trägern gehören, streben wir ein gutes und befruchtendes Miteinander an.

Nach drei Jahren Erfahrung: Können Sie sich vorstellen, noch ein anderes Kloster zu transformieren?

Das bleibt für uns tatsächlich ein Thema. Idealerweise wäre das nächste Kloster in einem urbanen Umfeld angesiedelt, beispielsweise in einer Großstadt. Gerade in den Ballungsräumen muss es neue Formen von Wohnen und Arbeiten geben. Für mich geht es im Grunde um die Transformation von Ökonomie. Das ist ja auch ein Anspruch von Ordensgemeinschaften: Das Kloster ist nicht für den Privatbesitz gedacht, sondern wird der Gemeinschaft und Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Oder auf uns bezogen: Die Cohaus Kloster Schlehdorf GmbH hat das Kloster erworben, aber genutzt wird es gemeinschaftlich.

Haben Sie einen Rat für eine Organisation, die am Beginn einer Transformation steckt?

Sie brauchen einen langen Atem! Haben Sie keine kurzfristigen Erfolgserwartungen, sondern gehen Sie Schritt für Schritt den Weg der Transformation. Aus meiner Erfahrung kann man hier nicht einfach einen durchgetakteten Standard-Masterplan aufsetzen, wie er bei Neubauten gemacht wird. Und genießen Sie trotz aller Herausforderungen den Prozess der Transformation.

Bevor Sie das nächste Kloster transformieren: Wo sehen Sie das Cohaus Kloster Schlehdorf in 100 Jahren?

Für unsere Genossenschaft ist das Cohaus Kloster Schlehdorf ein Lernfeld für gemeinschaftliches Wohnen, Arbeiten und Quartiersentwicklung. Die ökonomische Sicherung der Werte und Räume für die Gemeinschaft sehe ich als große Herausforderung der Gesellschaft für die nächsten 100 Jahre. Natürlich steht das auch für uns in Schlehdorf im nächsten Jahrhundert auf der Agenda!