Schwester Josefa Thusbaß ist Ökonomin der Missions-Dominikanerinnen in Schlehdorf. Ihre Ordensgemeinschaft war über 100 Jahre im Kloster Schlehdorf ansässig. Im Jahr 2018 folgte der Auszug. An einem traumhaften Frühlingstag sprechen wir mit ihr im Garten des Cohaus Kloster Schlehdorf. Zum Interview kommt die agile 75-Jährige mit flottem Schritt hochgelaufen, denn das neue Heim der Schwestern liegt nur ein paar Hundert Meter weit entfernt. Schwester Josefa spricht nicht vom Cohaus Kloster Schlehdorf, sondern von da oben. Sie wohnt jetzt da unten. Über 50 Jahre ihres Lebens hat sie im Kloster Schlehdorf verbracht. So ist es kein Wunder: Sie weiß zu allen Dingen da oben eine Geschichte zu erzählen. Uns hat vor allem interessiert, wie die Missions-Dominikanerinnen die Transformation des Klosters gemeistert haben.

Schwester Josefa unterwegs
Sr. Josefa kommt zum Interview „nach oben“ in ihr altes Kloster.

Ein Jahr nach dem Verkauf Ihres Klosters: Wie ist Ihr Gefühl, wenn Sie von Ihrem neuen Zuhause hier hoch in das Cohaus Kloster Schlehdorf kommen?

Sehr neutral, muss ich sagen. Ich fühle weder Verlassenheit noch Heimweh. Ich bin einfach froh, dass es gut und sinnvoll weitergeht. Das war für mich die ganze Zeit immer das Wichtigste. Stellen Sie sich nur mal vor, wenn eine Fabrik in das Kloster eingezogen wäre, dann würde ich hier nicht mehr hochkommen wollen. Das wäre entsetzlich. Aber da das hier oben ein gutes Projekt ist, hatte ich keinerlei Probleme, das Kloster zurückzulassen. Das ist mir nicht schwergefallen.

Ihre Gemeinschaft hat sich also gut im neuen Kloster eingelebt?

Wir haben uns sehr gut eingelebt. Gerade jetzt während dieser Coronakrise ist das neue barrierefreie Gebäude Gold wert. Fast die Hälfte unserer Schwestern waren an COVID-19 erkrankt und Gott sei Dank sind alle wieder wohlauf. Es war ein Segen, dass sie die Quarantäne in hellen, großen Zimmern mit Balkon verbringen konnten. Das ist ein großer Vorteil am neuen Gebäude. Das wäre hier oben in den kleinen Zimmern nicht zu bewerkstelligen gewesen. So sind wir einfach dankbar und froh, dass wir diese erste Krise so gut gemeistert haben. Ich glaube auch, dass wir weiter eine Strahlkraft haben. Wir bekommen viele Besucher – aus dem Ort und von weiter her. Wir sind auch sonst noch sehr aktiv. Eine Schwester bietet Feldenkrais an, eine andere meditativen Tanz und wir begleiten Menschen weiterhin spirituell. Meine Fotokarten stoßen unten auf genauso großes Interesse wie damals hier oben. (Anm. d. Red.: Schwester Josefa ist eine leidenschaftliche und ausgezeichnete Fotografin. Ihre Bilder verwendet sie hauptsächlich als Kartenmotive).

Wir gehen ein paar Jahre zurück: Über 100 Jahre war das Kloster Schlehdorf Ihr Mutterhaus und der Ort Ihres Wirkens. Wann haben Sie zum ersten Mal gemerkt, dass Sie neue Lösungen finden müssen?

Das war im Jahr 2012. Bis dahin sind wir fest davon ausgegangen, dass das Erzbischöfliche Ordinariat München unser Kloster kaufen wird. Unsere Realschule haben wir ja bereits 2004 in die Trägerschaft des Erzbistums München übergeben. Damals wurde uns unverbindlich zugesagt, dass sie eines Tages auch unser Kloster übernehmen werden. So haben wir geplant, dass wir hier oben unseren Ruhestand verbringen. Aber dann kam es 2012 ganz anders. Die Übernahme durch das Ordinariat hat sich zerschlagen und wir mussten schnell umplanen. Sie müssen wissen, dass das Kloster unsere einzige Altersvorsorge war. Alles was wir erwirtschaftet haben, ging an unsere Arbeitsbereiche wie unsere Realschule, Gästehaus oder an unsere Projekte in Afrika. So haben wir schnell realisiert, dass wir das Kloster verkaufen müssen, weil wir es finanziell und organisatorisch nicht mehr halten können. Dass dieser Transformationsprozess irgendwann ansteht, haben wir schon seit Jahrzehnten gewusst. Ich bin 1967 in die Ordensgemeinschaft eingetreten und schon damals war die Zahl der Eintritte rückläufig. Vor dreißig Jahren hatten wir die letzte Novizin*, unsere jetzige Provinzleiterin, Schwester Francesca. **(Anm. d. Red.: Novizin bzw. Noviziat bedeutet: Zeit der Prüfung und Ausbildung, bevor eine endgültige Entscheidung für das Ordensleben gefällt wird. Meistens dauert das Noviziat ein Jahr.).

Nachdem Sie im Jahr 2012 realisiert haben, dass Sie umplanen müssen: Wie lange hat es gedauert, bis Sie intern die nötigen Prozesse für einen Verkauf eingeleitet hatten?

Das hat nicht lange gedauert. Schon im August 2012 haben wir uns in der Gemeinschaft beraten und verschiedene Möglichkeiten wie einen Verkauf oder Übergabe des Klosters in eine Erbpacht besprochen. Für diese internen Entscheidungsprozesse haben wir das Team Zukunft gebildet, in dem außer dem Provinzleitungsteam, zwei weitere Schwestern waren. Die Zukunftsplanungen fanden in den Jahren 2013 und 2014 statt. In diesen beiden Jahren wurde der endgültige Entschluss gefasst, das Klostergebäude zu veräußern und einen Neubau für die Schwesterngemeinschaft in Schlehdorf zu planen. Alle anderen Formen wie eine Stiftungsgründung hätten wir auf die Schnelle nicht organisieren können. Außerdem ziehen diese Optionen eine jahrelange Verwaltung nach sich, welche wir nicht leisten konnten und auch nicht mehr wollten. Ich bin mit meinen 75 Jahren die zweitjüngste Ordensschwester bei uns, auch wenn in München noch einige jüngere Schwestern leben. Wir wollten sie aber davon freistellen, dass sie nur noch für das alte Gebäude arbeiten und wirtschaften müssen. Unser Auftrag in der Welt ist ein anderer, beispielsweise kirchlich-pastorale und soziale Arbeit. Wer hätte denn die Stiftung dann in Zukunft betreuen sollen? Wir wollten diese Verantwortung von uns haben und auch sicherstellen, dass der Käufer freie Hand im Kloster hat. Vorausgesetzt natürlich, dass er eine sinnvolle Nachnutzung plant. Für uns war ein radikaler Schnitt nötig, um am Ende noch frei entscheiden zu können. Im Team Zukunft wurden auch alle Vor- und Nachteile eines Neubaus für unsere Gemeinschaft abgewogen und im Jahre 2013 haben wir uns einstimmig zu diesem Schritt entschlossen. Nach 2014 fanden regelmäßig Sitzungen, die den Neubau und den Umzug betrafen, in der gesamten Schwesterngemeinschaft statt.

2013 fiel die Entscheidung für einen Verkauf und Neubau. Aber erst 2020 wurde das Kloster verkauft. Warum hat das so lange gedauert?

Ein Grund war, dass unser Grundstück, auf dem wir gerne bauen wollten, noch kein Bauland war. Es bedurfte langer Prozesse und der Zustimmung der Gemeinde, das zu ändern. Da gehen viele Monate, wenn nicht sogar Jahre ins Land. Zwischenzeitlich gab es ja auch große Pläne, dass die Gemeinde Schlehdorf das Kloster kauft, um dort ein Seniorenheim unterzubringen. Erst als sich all das zerschlagen hat, wurde unser Grundstück als Bauland ausgewiesen und wir konnten endlich anfangen zu bauen.

Was den Verkauf des Klosters angeht: Ende 2012 hat unser externer Berater im Auftrag der Provinz eine Wertermittlung für das gesamte Klostergebäude, einschließlich des unmittelbar umliegenden Areals, erstellt. Ein Exposé für die spätere Veröffentlichung auf dem Immobilienmarkt kam 2014 hinzu. Eventuellen Kaufinteressenten oder relevanten Gruppen wurde das Exposé in der ersten Phase vorab einzeln zur Verfügung gestellt. Die Veröffentlichung auf den gängigen Immobilienseiten erfolgte Anfang 2017. Der Umzug der Schwestern, in der Bauplanung für Anfang 2018 vorgesehen, und der Verkauf des Klosters sollten zeitlich nicht zu weit auseinanderliegen. Außer unserem externen Immobilienberater hat uns niemand im Kaufprozess begleitet. Es gab auch keinerlei Unterstützung von kirchlicher oder sonstiger Seite.

Wann hatten Sie dann die ersten Kontakte zu potenziellen Käufern?

Das ist eine gute Frage, da muss ich kurz überlegen. Ich denke, das war so im Jahr 2016. Wir waren natürlich sehr skeptisch und hätten nicht gedacht, dass sich jemand für unser Kloster interessiert – irgendwo auf dem Land, ohne Zuganbindung nach München. Tatsächlich hatten wir dann aber über 40 Interessierte. Bevor die Wogeno eG im Jahr 2018 ins Spiel kam, gab es zwar einige ernsthafte Anfragen, die sich dann aber aus den unterschiedlichsten Gründen zerschlagen haben. Unter anderem waren für manche Käufer die Auflagen des Denkmal- und Brandschutzes zu herausfordernd. Wir haben auch seltsame Dinge erlebt: So hat ein Interessent immer mehr gefordert, auch Grundstücke, die wir nicht zum Verkauf vorgesehen hatten. Er wurde in den Kaufverhandlungen immer aggressiver, bis wir die Reißleine gezogen und die Gespräche abgebrochen haben.

Schwester Josefa am Tisch
Schwester Josefa in ihrem alten Garten

Welche speziellen Wünsche hatten Sie an einen Käufer und für die Nachnutzung und wie haben Sie das sichergestellt?

Wir waren da sehr offen. Ich sehe bei vielen Ordensgemeinschaften – und so war das auch bei uns – den Wunsch nach einer kirchlichen Nachnutzung, beispielsweise durch die Caritas. Unser Hauptanliegen war natürlich, dass die Realschule weitergehen kann. In diesen Bildungsauftrag haben wir im Laufe von über 50 Jahren unendlich viel Kraft, Enthusiasmus und Geld investiert. Unser Wunsch war es, dass dieses Werk fortbesteht und Frucht für junge Menschen bringt. Um noch mal auf die Nachnutzung zurückzukommen: Natürlich wollten wir verhindern, dass im Kloster Dinge praktiziert werden, die wir nicht gutheißen können. Deswegen haben wir im Vorfeld beim möglichen Käufer, auch in seinem Umfeld, eine intensive Erkundigung darüber durchgeführt, welche Nachnutzung beabsichtigt wird und zu erwarten ist.

Wie kam der Kontakt zur Wogeno eG zustande und wie hat sich der Verkaufsprozess gestaltet?

Der Kontakt kam über die KlosterGut eG, die unsere landwirtschaftlichen Flächen gepachtet hat. Peter Schmidt und Tom Kremer, Vorstände der Wogeno eG, kamen dann zu einer Klosterführung als potenzielle Interessenten. Über die Jahre habe ich bestimmt 30 solcher Führungen angeboten. Ich habe dann schon an diesem Tag die Begeisterung von Peter Schmidt für das Kloster wahrgenommen. Am Ende der vierstündigen Tour hat er zu mir gesagt, dass er diesem Haus gerne eine neue Bestimmung geben würde. Bis zum Verkauf war es aber dann doch noch ein sehr langer Prozess. Sein Wohlwollen unserer Schule gegenüber hat mich aber schon bei unserem ersten Zusammentreffen beeindruckt. Man muss dazusagen, dass der Käufer von der Schule keine finanziellen Gewinne hat. Er ist zwar auf dem Papier Besitzer des Gebäudeteiles, welcher der hochwertigste und modernste im Kloster ist, aber es gibt keinerlei Pachteinnahmen. Dafür liegt die ganze Baulast des Gebäudes, im Fachausdruck heißt das vom Dach zum Fach, ganz beim Träger der Schule – dem erzbischöflichen Ordinariat München und Freising. Die Wogeno eG hat hier keinerlei Verpflichtungen. Sie muss nur sicherstellen, dass die Schule weiter in Ruhe betrieben werden kann. Ich muss anfügen, dass die Realschule in den letzten Jahren eine bewegte Geschichte hatte. Das Ordinariat wollte sie tatsächlich vor ein paar Jahren auflösen, aber der Widerstand aus der Bevölkerung und von der Schulgemeinschaft war so groß, dass die Entscheidung zurückgenommen wurde. Da sehen Sie den Stellenwert, den die Schule hier in der Gegend hat. Nun liegt die Kündigungsfrist für den Mietvertrag bei sechs Jahren. Jedes Kind, das in der fünften Klasse eintritt, soll die Möglichkeit bekommen, seinen Realschulabschluss hier zu machen. Ich wünsche mir aber, dass beide Seiten von dieser Option noch lange keinen Gebrauch machen werden. Eine Sicherung für den Verbleib der Schule im Klostergebäude besteht im Rahmen unseres Mietvertrags mit dem Ordinariat, der beim Verkauf automatisch auf den Käufer übergeht.

Neubau
Das neue Domizil der Schwestern; im Vordergrund der Sportplatz der von ihnen aufgebauten Realschule

Was waren dann die ausschlaggebenden Punkte, dass die Wogeno eG den Zuschlag bekommen hat?

Zum einen verbinden uns gemeinsame Werte wie soziales und ökologisches Wirtschaften. Zum anderen wollte die Wogeno eG gerne einen Probebetrieb im Kloster durchführen, um feststellen zu können, ob das ganze Projekt auf festen Füßen steht. Für uns war das eine richtig gute Sache. Sie müssen sich vorstellen, dass wir ja schon im März 2018 in unser neues Haus umgezogen sind. Das Kloster war daraufhin ja nicht versorgt. Es kann ja immer mal einen Wasserrohrbruch oder Ähnliches geben. Ein paar Wochen lang sind eine Mitschwester und ich täglich nach oben gegangen, um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Das wäre auf Dauer viel zu anstrengend gewesen. So war es eine große Erleichterung, dass schon im Mai 2018 die ersten Personen eingezogen sind, Leerstandsmanagement betrieben und ein kleiner Gäste- und Seminarbetrieb aufgebaut wurde. So haben wir das Haus gut versorgt gewusst und konnten erst einmal abwarten. Anfallende Reparaturen haben wir bezahlt, alles für den laufenden Betrieb kam von der Wogeno eG. Wir standen jederzeit mit Informationen und Wissen zur Seite und konnten uns immer besser kennenlernen.

Wir haben schnell gemerkt, dass wir mit der Genossenschaft einen guten Käufer hätten. Sie haben die Realschule voll und ganz akzeptiert und sie wollten auch das Bildungshaus in einer gewissen Weise weiterführen. Da haben wir dann aber schon mal genauer nachgefragt. Esoterische Angebote wie beispielsweise „mit Ahnen sprechen” oder Ähnliches hätten wir nicht brauchen können. Da waren wir aber auf derselben Wellenlänge. Natürlich sagt uns der Grundgedanke der Wohngenossenschaft in Bezug auf gemeinschaftliches Leben zu. Uns hat auch imponiert, dass Peter Schmidt ziemlich bald den Kontakt zum Ort und zum Bürgermeister gesucht hat. Diese Transparenz, auch der Pfarrgemeinde gegenüber, hat uns gefallen. Wir hatten den Eindruck, dass die bayerische Gutmütigkeit, die die Verantwortlichen der Genossenschaft mitbringen, gut nach Schlehdorf passt. Bisher haben wir mit dieser ersten Einschätzung recht behalten.

Welche Strukturen wären aus Ihrer Sicht hilfreich, dass der Verkauf und die Umnutzung eines Klosters machbarer gestaltet werden können? Haben Sie einen Tipp für andere Ordensgemeinschaften, die vor der gleichen Herausforderung stehen?

Ja, wir standen damals sprichwörtlich wie der Ochs vorm Berg. Natürlich hatten wir eine externe Beratung, aber es war schon eine Herausforderung, die nötige Expertise zu bekommen, was wir mit dem Kloster machen könnten. Wir haben uns als Orden päpstlichen Rechtes zuerst an das Ordinariat gewandt. Als wir da nicht auf offene Ohren gestoßen sind, haben wir uns Schritt für Schritt einen neuen Weg gesucht. Da war viel Ausprobieren und auch Scheitern dabei. Ich kann ehrlicherweise keinen allgemeingültigen Rat geben, außer: Haben Sie den Mut, den Weg der Transformation zu gehen.

Was wünschen Sie sich für das Kloster Schlehdorf und das Cohaus Kloster Schlehdorf in den nächsten 100 Jahren?

Ich wünsche mir, dass es im weitesten Sinne ein Bildungshaus und eine in die Region ausstrahlende Institution bleibt. Ein reines Wohnhaus, das keinen Impuls nach außen gibt, wäre mir persönlich zu wenig. Ich kann da aber jetzt nicht mehr eingreifen. Ich vertraue darauf, dass die da oben das schon richtig und gut machen werden!